Letztes Jahr hat sich Moritz Stückler einen Traum erfüllt. Als Journalist des Magazins t3n bekam er die Chance für einige Monate als Korrespondent in San Francisco zu arbeiten. Alleine in der Ferne lernte Moritz die pulsierende Startup-Welt im und um das Silicon Valley kennen. Remote und mit 9 Stunden Zeitunterschied.
Die Umstellung verinnerlichte er nach und nach. Als Tech-Journalist lernte Moritz Stückler die Infrastruktur und Arbeitswelt in San Francisco kennen und gibt im Interview Tipps für digitale Nomaden und Webworker, die auch mal in San Francisco leben und arbeiten möchten.
Du warst bis vor kurzem für t3n in San Francisco. Wie kam es dazu?
In den USA zu leben und zu arbeiten war schon lange ein Traum von mir. In den letzten Jahren habe ich immer konkreter nach Möglichkeiten gesucht, wie ich mir diesen Traum erfüllen könnte. Zusätzlich wollte ich den Auslandsaufenthalt unbedingt mit meinem Beruf als Journalist kombinieren, und nicht als Au-Pair oder Erntehelfer arbeiten.
Du hattest deinen Schreibtisch im San Francisco Office vom Hamburger Startup Jimdo. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande und welche Benefits hast du daraus gezogen?
Diese Kooperation hat sich einer unserer drei Geschäftsführer, Andy Lenz, zusammen mit den Jimdo-Geschäftsführern ausgedacht. Umfang dieser Kooperation ist ein Arbeitsplatz im Büro von Jimdo im Mission District von San Francisco. Der deutlich größere Benefit ist aber einfach die tolle Atmosphäre und die wundervollen sozialen Kontakte die dadurch entstanden sind.
Bist du jeden Arbeitstag im Jimdo-Office gewesen?
Wenn ich nicht außerhäusig auf Terminen oder Konferenzen unterwegs war, dann war ich tatsächlich die meiste Zeit im Jimdo-Office und habe von dort gearbeitet.
Wie groß ist die Herausforderung als einziger Remote-Worker in Kalifornien mit 9 Stunden Zeitunterschied zu den Kollegen im deutschen HQ zu arbeiten? Wie sah dein Tagesablauf entsprechend aus?
Am Anfang war das Gefühl sehr ungewohnt und ich hatte den Eindruck, etwas zu verpassen. Aber nach ein paar Monaten hat sich das komplett gedreht. Am Ende habe ich es sehr genossen, so alleine arbeiten zu können. Da es in Deutschland Nacht war, gab es keine Anrufe, wenig E-Mails und keine Push-Notifications die mich ablenken konnten.
Es gab morgens einen kleinen Übergabe-Korridor zwischen Deutschland und der Westküste. Ich habe meistens um 7 Uhr angefangen zu arbeiten, da war es bei den Kollegen in Deutschland gerade 16 Uhr. So konnte ich noch mit der Redaktion absprechen, was gerade aktuell ist, und welche Themen bearbeitet werden sollen. In dringenden Fällen war ich dann auch wieder so ab 23 Uhr vor dem Rechner (8 Uhr morgens in Deutschland) um Komplikationen oder liegengebliebene Tasks abzusprechen. Einmal pro Woche gab es außerdem unsere große Redaktionskonferenz mit allen Redakteuren, an der ich immer via Skype teilgenommen habe.
In San Francisco erwartet man ja theoretisch eine fantastische Infrastruktur für digitale Nomaden. Konntest du dich mit der Situation von Co-Working-Spaces in der Stadt vertraut machen?
Ja, die Infrastruktur ist natürlich ein Traum im Gegensatz zu anderen Ländern und Städten. Co-Working-Spaces habe ich nur besucht um mich dort mit Menschen zu treffen oder zu recherchieren. Für meine eigene Arbeit habe ich Coffee-Shops vorgezogen – die sind abwechslungsreicher und günstiger als Co-Working-Spaces, aber natürlich auch oft mal überlaufen, zu laut, mit schlechtem WLAN oder ohne sonstige Infrastruktur.
Wie ist die internationale Community in San Francisco organisiert? Gibt es bestimmte Treffpunkte und Meetups, die man auf dem Schirm haben sollte?
Es gibt einige deutsche Meetup- und Twitter-Gruppen, deren Mitglieder sich mehr oder weniger regelmäßig in San Francisco treffen, dort bin ich aber nur ganz selten hingegangen. Interessanter war es für mich, andere deutsche Journalisten ausfindig zu machen und mich mit ihnen auszutauschen. Das war aber immer private Initiative und es gab dafür keine zentrale Anlaufstelle.
Wie sieht es mit öffentlichem WLAN aus und welche Tipps hast du für jemanden, der noch nie in San Francisco war?
In San Francisco ist es absolut üblich und akzeptiert, acht Stunden mit Laptop und Kopfhörern in einem Café zu sitzen und zu arbeiten. Das ist auf jeden Fall günstiger als ein Co-Working-Space – oft aber auch lauter und unbequemer. In vielen Cafés in beliebten Stadtteilen wie dem Mission District oder SoMa sitzen die Webworker wie die Vögel auf der Stange in den Cafés. Man sollte beachten, dass man im Lauf des Tages auch ein paar Getränke bestellt, und ein paar Dollar in dem Laden lässt. Dafür bieten viele Läden sogenannte „bottomless“ Getränke an, die also beliebig oft aufgefüllt werden können.
Was hast du über die amerikanische Arbeitskultur gelernt, was du vorher so nicht erwartet hattest? Auf welche Umstellungen sollte man als Deutscher dort gefasst sein?
Es gab eigentlich keine Eigenheiten mit denen ich vorher nicht gerechnet hätte. Aber es ist trotzdem sehr lehrreich gewesen, zu sehen wie schnell im Silicon Valley Personalentscheidungen getroffen werden. Sowohl das Einstellen, als auch das Feuern von Mitarbeitern geschieht wahnsinnig schnell und ohne viel Vorlaufzeit – das ist deutlich brutaler als in Deutschland.
Schockierend fand ich auch die Urlaubsregelungen amerikanischer Arbeitgeber. Die Mitarbeiter können sich sehr glücklich schätzen wenn sie 12 oder 14 Urlaubstage im Jahr haben. Selbst nach 20 Jahren im Betrieb kommen sie nicht auf die in Deutschland übliche Anzahl von Urlaubstagen.
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Photo Credit: Julia O. Test