Gastbeitrag von Jessika Fichtel
„Selbstständigkeit?! Never ever! Viiiieeeel zu unsicher, das machen meine Nerven ganz bestimmt nicht mit.“ Kaum zu glauben, aber so habe ich noch vor nicht allzu langer Zeit geredet. Warum das so unglaublich ist? Weil sich mein Leben vor etwas mehr als einem Jahr um 180° gewendet hat. Inzwischen bin ich das, was ich nie sein wollte: meine eigene Chefin.
Mein Name ist Jessika, ich bin 26 Jahre alt und arbeite unter dem „Decknamen“ JF Texte als freiberufliche Autorin und Bloggerin. Ich habe mir den Traum erfüllt, vom Schreiben leben zu können und bin jeden Tag aufs Neue dafür dankbar. Wie es mir gelungen ist, das Hobby zum Beruf zu machen (der auch tatsächlich meine Miete und den Kühlschrankinhalt bezahlt), will ich euch in diesem Gastbeitrag erzählen.
Mit Anlauf in die Selbstständigkeit
Mein Berufseinstieg war – so zumindest meine eigene Wahrnehmung – ein bisschen anders als herkömmliche. Während sich die meisten meiner Kommilitonen nach dem Master-Studium auf die Suche nach einem Job machten, machte ich Nägel mit Köpfen. Mit der Selbstständigkeit und mir war es so ein bisschen wie mit der Jungfrau und dem Kinde: Irgendwie konnte ich mir nicht so recht erklären, wie es dazu kommen konnte.
Ob ich den Schritt in die Selbstständigkeit unüberlegt gegangen bin? Nein, keinesfalls. Aber im Gegensatz zu vielen anderen habe ich mir nicht ganz so viele Gedanken darüber gemacht. Getreu dem Motto „Was habe ich schon zu verlieren?“ habe ich mich ins Abenteuer gestürzt – und diese Entscheidung bis zum heutigen Tag nicht einmal bereut.
Phase #1: Zwischen Zettelkram und Discount-Texten
Zu Beginn des ganzen Vorhabens wartete natürlich erst einmal ein riesiger Haufen nerviger Erwachsenen-Angelegenheiten auf mich. Korrespondenz mit dem Finanzamt, Eröffnung eines Geschäftskontos, Absprachen mit dem Versicherungs- und Vermögensberater… ich muss euch an dieser Stelle sicher nicht erklären, worauf es bei einer Unternehmensgründung alles zu achten gilt, das haben andere Leute an anderen Stellen im Internet bereits gut und ausführlich getan.
Als dann endlich alles geklärt war, konnte es offiziell losgehen. Davor und parallel zum Papierkram ging es für mich schon an die Kundenakquise. Meinen allerersten Kunden habe ich aus der Studentenzeit mitgenommen. Ein kleiner Anfang, der mir Selbstvertrauen gab, aber trotzdem nicht ausreichte. Mich verschlug es – wie die meisten Freelancer im Anfangsstadium – auf diverse Auftragsportale, von denen wir alle wissen, dass sie mehr schlecht als recht sind. Was mich dort erwartete, waren Wortpreise, die irgendwo zwischen „horrend“ und „einfach nur lächerlich“ eingestuft werden konnten. Aber was blieb mir anderes übrig? Also bewarb ich mich auf alles, was halbwegs in mein Schema passte und freute mich über jede Zusage.
Ich weiß nicht, woran es lag, aber davon flatterten von Anfang an erstaunlich viele ins Haus. Innerhalb der ersten zwei Geschäftsmonate konnte ich meinen Kundenstamm auf zehn Personen und Unternehmen aufstocken. Alle Kontakte bis auf das besagte Studiums-Relikt kamen über die Plattformen zustande. Das hatte den Nachteil, dass Quantität deutlich über Qualität stand. Ich hatte zwar gut zu tun, doch die Verdienste ließen (aus heutiger Sicht) noch ganz schön zu wünschen übrig. Meine Mission war klar: Du brauchst einen besseren Wortpreis!
Phase #2: Auf der Jagd nach Referenzen und einer Personal Brand
Mit dieser Erleuchtung kam auch der Anspruch an mich, meine Arbeit – und meine Kunden. Ich wollte nicht mehr für jeden schreiben und fing an, Aufträge bewusst abzulehnen und Zusammenarbeiten zu beenden – stets begleitet von einem Gefühl der Unsicherheit. „Was, wenn du es morgen bereust, diese Entscheidung ein zu großes Loch in die Finanzen reißt?“
Gedanken dieser Art sind ganz sicher normal und absolut menschlich. Trotzdem habe ich sie jedes Mal bewusst beiseite geschoben – getreu dem Motto: Wenn du etwas Negatives prophezeist, dann wird es auch eintreten.
Meine Taktik sollte einmal mehr aufgehen. Jede Entscheidung gegen einen Kunden war eine gute und in einem speziellen Fall auch eine wirklich notwendige.
Gleichzeitig fing ich langsam an, mir einen Namen zu machen und dadurch neue Kunden zu akquirieren. Mit langem Atem postete ich meine Texte auf Facebook, Twitter und Xing und entschied mich auch dafür, ausgewählte Projekte ehrenamtlich zu unterstützen, sprich: für lau zu schreiben.
Dieser Schritt war für mich in zweierlei Hinsicht wertvoll:
- Ich konnte zahlreiche Kontakte knüpfen und von diesen profitieren
- Ich konnte namhafte Referenzen in mein Portfolio aufnehmen
Irgendwann war dann der Punkt erreicht, an dem sich meine unermüdliche „Öffentlichkeitsarbeit“ auszahlte. Im Zwei-Wochen-Takt schrieben mich plötzlich Leute über Xing an, erzählten, dass Sie meine Arbeit toll finden und ebenfalls gern in Anspruch nehmen wollten. Die Zeit der Plattformen und miserablen Wortpreise war vorbei.
Direkten Kontakt zu den Auftraggebern zu haben, bedeutet, seine eigenen Regeln aufstellen und individuell mit denen der anderen Seite abstimmen zu können. Mein Selbstbewusstsein wuchs von Auftrag zu Auftrag und so manches Mal fragte ich mich, ob ich wirklich wach war oder doch nur träumte.
Phase #3: Ein Netzwerk finden und meinen Platz darin einnehmen
Gerade befinde ich mich in der dritten Phase meiner Selbstständigkeit. Nachdem ich von Anfang an Aufträge aus der ganzen DACH-Region bekommen habe, fokussiere ich mich aktuell stark auf regionale Kontakte und (potentielle) Kunden. Dass ein qualitativ hochwertiges, vielseitiges und gut funktionierendes Netzwerk das A und O ist, ist ganz sicher keine Neuigkeit.
Ich will trotzdem an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, weil mich mein Vor-Ort-Netzwerk wirklich schon so oft weitergebracht hat. Es hilft mir, wenn ich Fragen habe und bringt mir durch Empfehlungen auch immer wieder neue Kunden.
Gleichzeitig kann ich mein Wissen zur Verfügung stellen und mich dadurch einbringen. Manchmal komme ich mir komisch dabei vor. Mit 26 bin ich in der Regel die mit Abstand jüngste in der Runde – und trotzdem genieße ich Vertrauen, Respekt und Wertschätzung. Ich bin (vorerst) angekommen und habe meinen Platz gefunden.
Hierbei hat mir im Übrigen auch mein persönlicher Blog Feels like Erfurt geholfen. Die Leute in meiner Wahl-Heimatstadt Erfurt bringen mich damit in Verbindung und stellen schnell einen positiven Bezug zu meiner Person her. Der Blog ist für mich längst nicht mehr nur ein Small Talk-Thema, sondern eines meiner Aushängeschilder und dadurch ein wichtiger Bestandteil meiner Personal Brand (die sich definitiv noch im Aufbau befindet).
Selbstständigkeit: Jeder brauch seine eigene Erfolgsformel
Ob meine Reise an dieser Stelle beendet ist? Ganz sicher nicht. Ich bin extrem gespannt, was als Nächstes auf mich wartet und welche Erfahrungen ich in Zukunft sammeln werde.
Dieser Beitrag soll kein „How to“ zum Thema Selbstständigkeit sein. Es handelt sich hierbei um einen Bericht über meinen persönlichen Werdegang und meine Erfahrungen. Würde irgendwann mal jemand die allgemeingültige Erfolgsformel für berufliche Selbstverwirklichung erfinden, wäre die Welt (aus meiner Sicht) ein ganzes Stück langweiliger. Jeder muss seinen persönlichen Weg finden und (ganz wichtig!) ihn auch gehen.
Photo credit: Sandra Jähnert
Autoreninfo
Jessika Fichtel arbeitet seit Juni 2015 als freiberufliche Autorin und Bloggerin. Ihre thematischen Steckenpferde sind Karriere, Entrepreneurship, Outdoor und digital Lifestyle.