Gastbeitrag von Spanien-Experte und CODINO-Gründer Theodor Berghausen
Spanien hat sich zu einem europäischen Hotspot für Digitale Nomaden entwickelt. Das liegt insbesondere an einer sehr guten Infrastruktur. In keinem anderen Land in Europa gibt es derzeit ein dichteres Netz an Coliving-Projekten, in denen man mit anderen Entrepreneuren und Freelancern zusammenlebt. Nirgendwo sonst auf dem Kontinent gibt es so viele Coworking-Büros, wo man zuhauf digitale Nomaden antrifft.
In Spanien findet sich ein gutes Dutzend kleinerer und großer Städte, in denen man gleichgesinnten Ortsunabhängigen aus aller Welt begegnet.
Vorteile für digitale Nomaden in Spanien: Hohe Lebensqualität, gute Arbeitsbedingungen
Die Hauptgründe, warum sich Spanien unter Digitalen Nomaden großer Beliebtheit erfreut, sind zahlreich. Dazu zählen das gute Wetter, die Lage am Mittelmeer und Atlantik, die im europäischen Vergleich günstigen Preise, eine hohe Lebensqualität, die gute Sicherheitslage und die schnelle Anreise aus dem kalten Norden Europas. Allgemein betrachtet ist Spanien ein unkompliziertes Land, dass es einfach macht, produktiv der Online-Arbeit nachzugehen.
Mögen Chiang Mai oder Bali für Digitale Nomaden exotischer oder günstiger sein – viele bekommen aus Spanien einfach besser ihre ortsunabhängige Tätigkeiten erledigt.
Kein Kulturschock, keine Moskitoplage, keine drückende Schwüle ,die einen arbeitsfaul werden lässt, stabiles Internet, eine günstige Zeitzone für Kundenkontakte im Heimatland. Man lebt sich schnell ein und kann gleich mit der Arbeit loslegen.
Ländliches Coliving mit Pyrenäen-Panorama
Gehen wir mal auf der Landkarte Spaniens im Uhrzeigersinn die einzelnen Nomaden-Destinationen durch und fangen in Katalonien, im Nordosten des Landes an:
Gut eine Fahrtstunde hinter der französisch-spanischen Grenze, am Fuße der Pyrenäen, hat das Nectar Coliving neu eröffnet. Die Gastgeber Tai und Olga, sind mit viel Herz bei der Sache und bieten Ausflüge und Aktivitäten in die bergige Umgebung an. Sie haben aus einem typisch katalanischen Bauernhaus ein Retreat geschaffen, dass prädestiniert ist um konzentriert seine Arbeit zu verrichten.
Die Lage der Coliving-Farm ist beeindruckend. Die Aussicht reicht in die Ferne bis zu den schneebedeckten Hochpyrenäen und auf einen nahegelegenen See, der durch einen wilden Canyon führt. Die abgeschiedene Lage ist für manche ein großes Plus, für andere ein Manko. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Nectar sehr schwer zu erreichen. Um die Umgebung zu erkunden, bietet es sich daher sowieso an, mit einem Mietwagen anzureisen. Diese sind in Spanien mit 50 Euro pro Woche inklusive Versicherung unverschämt günstig.
Lebendige Szene & Coworking-Vielfalt in Barcelona
Von hier sind es nur 80 Kilometer bis zur katalanischen Mittelmeermetropole Barcelona. Die Stadt ist nicht nur bei Touristen beliebt, sondern zieht auch ortsunabhängige Arbeiter magisch an.
Barcelona ist zusammen mit Berlin wohl der Ort in Europa, an dem sich die meisten Digitalen Nomaden tummeln. Die Stadt hat eine lebendige Start-Up und Freelancer-Szene, die jede Menge Meetups organisiert und in denen man leicht mit Gleichgesinnten in Kontakt kommt.
Sie ist auch die Hauptstadt der Coworking-Büros. Sei es im Betahaus, Transforma BCN, Depot Lab, Cloud oder dem MOB – um nur einige von etlichen zu nennen. Man kann sich je nach Geschmack die passende Büroatmosphäre aussuchen, ohne dabei vor dem Bildschirm zu vereinsamen.
Es gibt mit uns von CODINO – der “Community of Digital Nomads in Barcelona” ein lokales Netzwerk von ortsunabhängigen Arbeitern, das sich regelmäßig zum Coworken, zur “Nomadtalks”-Vortragsreihe, zum Erfahrungsaustausch, zu Mastermind-Gruppen und für gemeinsame Unternehmungen in und außerhalb der Stadt trifft. Die Community organisiert regelmäßig Workations – ein neudeutscher Begriff für die Verschmelzung von produktivem Arbeiten mit Gleichgesinnten an inspirierenden Orten.
So lernen digitale Nomaden in Spanien das Hinterland kennen
Zudem kooperiert die Community mit dem Pandorahub. Ein weiteres Projekt, welches in Barcelona initiiert und von Diana Moret ins Leben gerufen wurde. Ihre Vision ist es, den von Bevölkerungsschwund betroffenen ländlichen Raum umzukehren. Der strukturschwache Raum im spanischen Hinterland soll für ortsunabhängige Arbeiter attraktiv gemacht und wiederbelebt werden. Halbverlassene Dörfer werden mit Infrastruktur wie kostenlosen kommunalen Coworking-Büros und schnellem Internet aufgewertet.
Die Lebenshaltungskosten sind dort für europäische Verhältnisse unschlagbar günstig und so für ortsunabhängige Arbeiter wieder attraktiv. Pandorahub bietet regelmäßig Projektrundreisen in die Pilotdörfer an. Eine prima Gelegenheit mal die völlig untouristische Seite des Landes fernab der Küste kennenzulernen und für den totalen Fokus für die anliegenden Aufgaben aus der abgelegenen Provinz.
Costa Blanca: Winterquartier für digitale Nomaden in Spanien
Weiter im Süden am Mittelmeer, zwischen Valencia und Alicante, liegt die Costa Blanca. Eigentlich ist sie ziemlich verbaut und eher als Paradies für Rentner aus dem Norden Europas bekannt. Abseits des Massentourismus findet sich rings um Javea dennoch eine Ecke, in der es noch überraschend idyllisch und authentisch zugeht. Hier befindet sich das Sun and Co. – das in den Sommermonaten ein Backpacker-Hostel ist. In der auslastungsschwachen Nebensaison wird es zu einem Coliving-Hostel für Digitale Nomaden umfunktioniert.
Die Betreiber Jon und Edu kümmern sich mit voller Energie um ihre Gäste. Sie sind echte Profis darin, alle Telearbeiter bei Laune zu halten und haben immer wieder neue kreative Ideen für gemeinsame Aktivitäten zum Feierabend. Die Räumlichkeiten des Sun and Co. sind ideal aufgeteilt, um sich mit den Mitbewohnern zu sozialisieren. Die toll geschnittene Küche, ist mit der Wohnzimmerecke, dem Coworking-Bereich und dem Innenhof eine große miteinander verschmolzene Einheit.
Arbeiten und Freizeit finden ganz symbiotisch an einem Platz statt. Obwohl man mit dem Laptop mitten im Leben sitzt und alle um einen tratschen und kochen sollten, bekommt man dennoch seine Arbeit erledigt.
Coliving auf der deutschen Lieblingsinsel
Auf dem gleichen Breitengrad weiter östlich im Mittelmeer finden sich die Balearen. Die größte Insel Mallorca ist eher für intensiven Urlaub statt exzessiver Maloche bekannt. Vor allem der berüchtigte Partystrand von El Arenal ist hierzulande jedem ein Begriff. Daher überrascht es, dass sich mit dem Bedndesk genau hier einer der wenigen ganzjährig geöffneten Coworking- und Colivingbetriebe findet.
Der Inhaber Matias hat in einer recht untouristischen Ecke der ehemaligen Fahrschule seines Vaters eine neue Bestimmung gegeben. Das Coworking-Büro und der Wohnbereich sind gleich nebeneinander. Die räumliche Trennung erlaubt es, sich nur für die Büronutzung anzumelden. Es lohnt sich aber dennoch, auch dort zu wohnen. Das tolle am Bedndesk ist, dass Matias ein sehr sympathischer Gastgeber ist und dass das Bedndesk ein wahres WG-Feeling vermittelt, da der Colivingbereich nur für bis zu sechs Personen ausgelegt ist.
Ideal ist auch die unmittelbare Nähe zum Flughafen und die gute Infrastruktur rings um das Bedndesk. Der Strand befindet sich nur 200 Meter weiter. Gerüchten zufolge soll es am “Ballermann” genannten Strandabschnitt, der in nur 15 Minuten zu Fuß entfernt ist , gar deutsche Kneipen, Großraumdiskotheken mit Schlagermusik und eine Schinkenstraße geben.
Kitesurfer-Paradies Tarifa im spanischen Süden
Im tiefen Süden Andalusiens, genauer gesagt am südlichsten Punkt der iberischen Halbinsel, direkt gegenüber vom afrikanischen Kontinent, liegt Tarifa. Der kleine Ort an der Straße von Gibraltar ist wegen der konstant starken Winde bei Kitesurfern allseits beliebt. Tarifa hat sich in den letzten Jahren zu einem Treffpunkt für Digitale Nomaden gemausert.
Obwohl sich hier viele ortsunabhängige Arbeiter eher eine günstige Wohnung über Airbnb und Co. anmieten, ist das Cocotera Coworking Hostel ein beliebter Ort um Arbeiten mit Wohnen zu kombinieren. Das Hostel punktet mit einem Arbeitsplatz auf der Dachterrasse, inklusive Aussicht bis nach Marokko. Auch die vielen Strandcafés laden zum Arbeiten von den Außentischen ein, sofern es die stets steifen Windbrisen und das gleißende Sonnenlicht zulassen, draußen zu sitzen.
Coliving in der spanischen Hauptstadt
Das einzige Coliving-Projekt fernab der Küste findet man in Madrid. Die mit viel Marketingaufwand und von großen Investoren unterstützte Coliving-Kette Roam hat in der spanischen Hauptstadt neben Bali und Miami ihr drittes Hotel eröffnet, das vor allem ortsunabhänige Unternehmer anspricht, die sich den gehobenen Standard leisten können und die mehr Wert auf ein eigenes Appartment als ein WG-ähnliches Miteinander legen.
Der Clou ist, dass man eine Flatrate von 1800 US-Dollar pro Monat auch in den anderen Coliving-Projekten in Miami und auf Bali einchecken kann. Das Netz soll sich in Zukunft auf weitere Nomaden-Hotspots erweitern.
Abgeschiedenheit im rauen Norden
Ganz abgelegen im fernen Galizien in der nordwestlichen Ecke Spaniens, befindet sich das Projekt Sende. Edo, der geistige Vater von Sende, stammt ursprünglich aus Serbien. Er hat hier in dem 20-Seelen Nest Senderiz, nahe der Grenze zu Portugal, den halben Ortsteil zu einem Treffpunkt für all jene aufgebaut, die eigentlich von überall arbeiten können.
Sende, dass sich auf mehrere urige Steinhäuser verteilt, ist an rustikaler Gemütlichkeit nicht zu übertreffen, genauso wenig wie Edo und seine Crew in Sachen Gastfreundschaft. So ist es auch nicht verwunderlich, wenn seine Unterkunft ein Großteil des Jahres schon ausgebucht ist, zumeist von Gruppen, die Sende als Teambuilding-Retreat nutzen.
Nur in den kalten Jahreszeiten wird es ruhiger in Sende. Es wird hier auf 700 Höhenmetern und sehr viel Regen auch eher besinnlich. Kann sein, dass für manche Digitale Nomaden die rauen Bedingungen genau das richtige sind, um hocheffizient in die Tastatur zu hauen. Trotz der für europäische Verhältnisse reichlich abgeschiedenen Lage ist die Anreise über die Flughäfen Porto, Vigo oder Santiago auch nicht mehr so beschwerlich, wie im Zeitalter vor den Billigfliegern.
Die Kanarischen Inseln: Coworking wo andere Urlaub machen
Machen wir einen weiten Sprung auf die Kanarischen Inseln. Die sind eigentlich immer eine Reise wert, weil hier im Sommer wie Winter stets angenehme Temperaturen herrschen. Da die Kanaren, trotz großer Beliebtheit bei Touristen, auch mit günstigen Lebenshaltungskosten locken, trifft man jede Menge Digitale Nomaden auf den Inseln.
Vier Inseln des Archipels können auch mit einer Kombination aus Coliving und Coworking aufwarten. Auf der mystischen Vulkaninsel Lanzarote hat der Niederländer André Gussekloo, der sehr aktiv in der Digitalen Nomaden Szene ist, mit dem Lanzarote Coworking einen neuen Anlaufpunkt auf der Insel für alle Ortsunabhängigen geschaffen.
Die Bürogemeinschaft kann mit idealer Lage an der ersten Reihe am Strand vom Hauptort Arrecife und sehr günstigen Preisen auftrumpfen. Eine Woche bei bis zu 300 Mbits kostet hier gerade einmal 39 Euro, ein ganzer Monat 99 Euro.
Coworking und Kitesurfing auf Fuerteventura
Fuerteventura ist zwar reichlich einsam und wüstenhaft, hat aber die besten Strände der Kanaren und exzellente Bedingungen zum Kitesurfen – die Sportart ist ja in der Szene der digitalen Nomanden mindestens genauso trendy wie Yoga am Morgen, gesundes Essen und Apple-Hardware.
Im Hauptort Corralejo leitet Sebastian Ruiz das Hub Fuerteventura – ein Coworking-Space in der ersten Reihe am Meer, was es selbst weltweit gesehen nicht allzu oft gibt. Da das Fuerteventura Hub auch Apartments und für Einzelreisende günstige Betten im Schlafsaal vermittelt, kann man sich direkt für ein gesamtes Wohn- und Arbeitspaket mit Kitesurfkurs einbuchen.
Gran Canaria: Der Vorreiter des Coliving
Eine Insel weiter westlich und wir sind auf Gran Canaria. Die Hauptstadt Las Palmas ist in den Wintermonaten mittlerweile so etwas wie die inoffizielle Digitale Nomaden-Hauptstadt Europas. Hier hat Peter Fabor mit dem Surf Office das wohlmöglich erste offizielle Coliving-Projekt der Welt ins Leben gerufen, das mittlerweile auch eine Vertretung in Lissabon hat.
Das Surf Office organisiert mittlerweile auch Company-Retreats in anderen Städten in Spanien.
Da sich viele digitale Nomaden in Spanien gleich für mehrere Wochen am Stück in Las Palmas niederlassen, ist die Kombination Airbnb zum Wohnen plus Coworking-Büro zum Arbeiten die ideale Wahl. Das CoworkingC bedient die Nachfrage und hat sich als der Arbeitstreffpunkt für die Nomadenszene positioniert.
Lernen und Arbeiten auf Teneriffa
Zu guter Letzt gibt es auch auf Teneriffa eine beliebte Anlaufstation. Hier befindet sich das Coworking in the Sun unter der Leitung von Frank Sellingroh. Das Coworking-Büro liegt in Puerto de la Cruz im schönen Orotava-Tal und ist mit der größten Spanisch-Sprachschule und einer Online-Marketing-Schule verbunden.
Da man mit einem Wochenpass an allen Freizeitaktivitäten der Schule teilnehmen kann, lernt man schnell andere Leute kennen. Das Coworking in the Sun vermittelt gerne auch Zimmer in den Apartments in der Nachbarschaft.
Digitale Nomaden in Spanien: Breites Angebot & starke Community
Man sieht, es gibt ein breites Angebot für digitale Nomaden in Spanien. Und dies ist erst der Anfang, da noch jede Menge weitere Projekte in den Startlöchern stehen. Es kann gut sein, dass dieser Artikel in einem Jahr eine Fortsetzung finden wird, in dem wir nochmals die gleiche Anzahl von neuen Projekten für ortsunabhängige Arbeiter in Spanien vorstellen werden.
Wer gleichgesinnte Nomaden sucht, und gerne von wechselnden inspirierenden Orten in der Stadt mit anderen coworken, bei Vorträgen und Workshops seinen Horizont erweitern, gemeinsame Aktivitäten unternehmen oder sich zu einer Workation mit anderen Teilnehmern zusammenfinden will – sei natürlich unsere Community für Digitale Nomaden CODINO empfohlen.
Wir führen unsere Events nicht nur in Barcelona, sondern auch im Rest von Spanien durch. Unsere nächsten Veranstaltungen könnt ihr auf www.codino.co oder unserem Eventkalender auf www.meetup.com/codino einsehen.
Autoreninfo
Theodor Berghausen lebt seit 2013 in Barcelona und hat dort mit CODINO eine Community für Digitale Nomaden in Barcelona ins Leben gerufen. Mit dieser Aufgabe vereint er seine Leidenschaften Reisen planen, Gäste empfangen, Events organisieren und Menschen zu vernetzen. Vor Ort organisiert er Coworking-Tage, Meetups, Masterminds und Workations.